General, ein traumatisierter Luftschiffer versucht sich nach einem längeren Aufenthalt in einem Sanatorium wieder in seinem angestammten Beruf.
Auf der Festung Hagedorn in der Wahren Welt bekommt er tatsächlich eine Chance und begegnet dabei der Bürokratie eines aufwändigen Apparates genannt ANLA...

(Diese Geschichte ist Teil von Per Luftschiff durch Caltha, Teil 1)

Nach einem angenehmen, traumlosen Schlaf erwachte General frisch und munter. Er verließ das Zelt, erledigte die Morgenhygiene und gönnte sich einen frischen Kräutertee und eine Scheibe Kokosbrot auf dem Markt. Als er dann ins Zelt zurückkam, war auch Rebecca munter und ordnete gerade ein paar Kleidungsstücke.
Er wünschte ihr einen guten Morgen und bedankte sich noch einmal dafür, dass sie ihm am vorigen Abend so eine gute Zuhörerin gewesen war. Ihm war jetzt leichter und er fühlte sich wieder voller Energie und Tatendrang.
„Dann wirst du heute also deinen Dienst antreten?!“, sagte sie mehr in Form einer Anweisung denn als Frage.
„Ja, genau. Und ich freue mich schon darauf. Die Mezzoloth ist ein berühmtes Schiff. Ich werde viel herumkommen und bedeutende Leute kennenlernen.“
„Das freut mich für dich.“, und für mich, setzte sie in Gedanken fort. General sollte ja ihre Eintrittskarte in die Luftschifferei werden.
„Übrigens war ich gestern im ‚toten Belagerer‘ und habe meine nächste Kundin kennengelernt. Die war ziemlich schräg.“
General nickte.
„Prospektoren sind meist ungewöhnliche Menschen. Entweder Einzelgänger oder Draufgänger oder Leute, die einfach mit normalen Menschen nicht so zurande kommen.“, meinte er dazu.
„Die kommt ziemlich gut mit den Menschen zurecht, denke ich. Die war extrem extrovertiert und sehr teuer gekleidet.“
Nach einer Weile ergänzte sie nachdenklich, „Und ziemlich bekannt dürfte sie auch sein. Kennst du sie eventuell auch? Demonia nennt sie sich.“
Entsetzt schlug General die Hände vors Gesicht und stöhnte.
„Doch nicht Demonia!“
„Da kannst du dich doch gleich bei einem Sesosta-Priester melden.“, jammerte er.
Er merkte, dass Rebecca nun auch verunsichert war. Also überlegte er kurz.
„Du musst auf jeden Fall weiter machen, damit es nicht auffällt. Entweder sie ist zufällig auf dich aufmerksam geworden, oder sie hält dich für eine Schmugglerin. Im Grunde ist beides in Ordnung. Du musst ja lediglich deine wahre Identität verschleiern. Und du hast ja deinen Trumpf.“
„Was meinst du mit ‚Mein Trumpf‘?“, kam es überrascht zurück.
„Du hast etwas was sie sehr gerne hätte. Geschickt eingesetzt können dir deine blauen Perlen gerade bei Demonia sehr nützlich sein. Du musst nur darauf achten geradlinig und glaubwürdig rüberzukommen. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn du dich direkt in die Höhle des Löwen begibst. Dort wirst du wahrscheinlich am wenigsten vermutet.“
General konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Rebecca machte sich auf, ihr Perlengeld in einer Wechselstube in kleinere Scheine und Münzen umzutauschen und einen Teil Schwundgeld zu entwerten, damit es nicht so auffällig war, wenn sie damit zahlen wollte.
General war froh, dass sie das jetzt anging und machte sich selber auf den Weg nach Burg Hagedorn. Bewundernd stellte er am Weg dorthin fest, wie groß doch die Ansiedlung des Wahren Volkes am Fuße des Burgberges geworden war. Vor ein paar Jahren noch waren hier fast ausschließlich Meks mit ihren Wuchtwagen unterwegs gewesen, um Handel mit der TWC zu treiben. Seit diese verschwunden waren, also seit nunmehr drei Jahren, wuchs hier eine stattliche Siedlung heran. Es waren sicher mehr als zweitausend Seelen, die es hierher getrieben hatte. Das kann der TWC nur recht sein, dachte er während er die Serpentinen zur ersten Burg hinaufschnaubte. Dabei ignorierte er die Leute vom Wahren Volk am Straßenrand, welche einen Ritt auf einem Tragtier, Erfrischungen oder andere Dienstleistungen wie Glücksspiel anboten. Etwas außer Atem kam er oben an und setzte seinen Weg in die mittlere Burg fort, wo sich das hiesige Büro der ANLA befand. Vom Innenhof der mittleren Burg aus hatte er einen guten Blick auf die in Wartestellung über der Burg schwebenden Luftschiffe. Er sah natürlich sofort die ‚Mezzoloth‘, aber auch die ‚Messenger‘, die ‚Scout‘ und die ‚Scorpion‘ ein Spezialschiff der 4’ten Legion.
Allein zu sehen, welche Schiffe gerade über Hagedorn parkten, gab ein gutes Statement über die aktuelle politische Lage in Ost-Caltha ab. Ein Fehlen der großen Transport- und Kampfeinheiten war ein gutes Zeichen dafür, dass der RAN die nähere Zukunft als ruhig und friedlich einschätzte.
Mit Schaudern dachte er an die ANS Dragons Claw, ein Linienschiff vollgestopft mit grässlichen Hippogriffen. Man konnte beim Anblick des Schiffes neben dem Gestank der Scheusale auch die aufkommende Gefahr riechen, wegen der dieses Kriegsschiff vermutlich entsandt worden war.
Er senkte seinen Blick, weg von den über Hagedorn versammelten Luftschiffen, hin zum Wegweiser und folgte einem markierten Weg zur steilen Bergwand, welche den Burghof auf der nördlichen Seite abschloss. Eine offene Tür führte in einen Stollen. Er folgte diesem, ging eine Treppe hinauf und kam in einen elektrisch beleuchteten und mit teuren Möbeln und Wandteppichen ausgestatteten großen Wartesaal. Es gab etwa ein Dutzend Türen. Die meisten waren offen und er hatte schnell jene Tür ausfindig gemacht, welche zum ANLA Büro führte.
Er klopfte und machte einen zögerlichen Schritt hinein. Das Büro war groß. An den Wänden standen Schränke voller Bücher, Ordner und Formulare. Der Raum wurde von einem riesigen Schreibtisch dominiert. Beim Eintreten kam man direkt auf den Schreibtisch zu. Er war aus dunklem, edlem Holz, aufwändig mit Schnitzereien verziert und fast leer. Auf dem Schreibtisch stand lediglich ein goldenes Tintenfass mit Feder, ein ebenholzfarbener Humidor und eine Akte lag am Tisch. Hinter dem Tisch saß in einem mächtigen, drehbaren Lederstuhl ein bärtiger, älterer Herr mit Zigarre im Mund. General konnte den Mann nur von hinten betrachten, weil dieser dem Fenster zugewandt war und nach draußen blickte. Er konnte lediglich noch feststellen, dass der Anzug des Mannes sehr teuer zu sein schien und eine Flasche Wein am Boden und ein halbvolles Glas Rotwein am Fensterbrett stand.
Den Job hätte ich auch gerne, dachte er und entdeckte gleich rechts von der Tür, durch welche er gerade den Raum betreten hatte, einen weiteren kleinen Tisch voll mit Akten und einem beflissen in Dokumenten blätternden jungen Mann. Vor diesem Tisch befand sich ein einfacher Stuhl. General stellte sich daneben und wartete geduldig, bis er die Aufmerksamkeit des jungen Mannes erhielt.
„Die Nummer bitte“, schnatterte der Mann, als er aufsah und General wahrnahm.
„Nummer?“, fragte dieser naiv.
„Die Nummer. Sonst könnte ja jeder rein.“, der Mann machte eine ausholende Geste, um das zu unterstreichen.
„Aber ich bin der Einzige hier.“, argumentierte General hoffnungsvoll.
„Dann haben sie ja Glück und werden schnell dran kommen. WEIL sie gleich eine gute Nummer ziehen werden.“
Unerbittlich forderte der Mann seine Nummer und so stakste der unglückliche Antragsteller in den Warteraum hinaus, suchte das Nummerngerät und zog eine Nummer. ‚ANLA 7‘ stand da drauf und neben der Tür zum ANLA Büro stand auf einer Kreidetafel ‚7‘.
General klopfte, trat wieder ein, stellte sich neben den einfachen Stuhl vor den Tisch des beschäftigten Mannes, wartete geduldig, bis jener wieder von seiner Arbeit aufsah und gab ihm mit den Worten, „da hab ich aber echt mal Glück gehabt. Es ist die Sieben!“, die Nummer.
„Na also.“, entspannte sich der Mann und stellte sich als Rüdiger vor.
„Was kann ich für sie tun?“
„Hier, ich habe eine Zusage, als Sicherheitsmann auf der ANS Mezzoloth meinen Dienst anzutreten.“ Er reichte Rüdiger das Schreiben der TWC und gab ihm weiters seinen Ausweis und ein paar Dienstzeugnisse von früheren Einsätzen.
„Danke, nicht nötig.“, sprach Rüdiger, erhob sich und holte aus dem Aktenschrank eine dicke Akte, mit der Aufschrift ‚General‘ und einer Aktennummer.
„Wir haben bereits alles über sie aus der Zentrale zugestellt bekommen.“
Er versank in der Akte, murmelte ein paar unverständliche Worte, legte die Akte dann zur Seite um geschäftig einen der großen Stapel auf seinem Schreibtisch zu durchforsten. Er atmete alsdann erleichtert auf und zog eine mit verschnörkelter Handschrift beschriebene Liste heraus und studierte diese.
„Aufgrund einer Umdisponierung werden sie statt auf der Mezzoloth ihren Dienst auf der Messenger antreten, Herr General.“
„Aber die Mezzoloth…“, wollte er einwerfen. Er war sehr unglücklich, denn die Mezzoloth war ein berühmtes Schiff und er hatte sich viel von diesem Engagement erhofft. Die Messenger kannte er nicht. Er hatte nur davon gehört, dass sie als eine Art Postschiff im Einsatz war und die ganze Zeit herumflog, was sehr anstrengend sein konnte. Die Mezzoloth hingegen war ein Flaggschiff. Sie hatte immer bereit zu stehen, wenn Fugger oder ein anderer Anführer der TWC ein Schiff schnell benötigte. Das wäre etwas ganz Anderes, mal sagen zu können ‚Ich habe auf der ANS Mezzoloth Dienst getan, als Bilok Tecot die True World vor dem Untergang gerettet hat.‘
Aber die Messenger. Tja.
Der fleißige Beamte hatte nichts von alldem was in Generals Geist gerade vor sich ging mitbekommen und war damit beschäftigt die richtigen Formulare aufzulegen.
„Also sie müssen hier, hier und hier unterschreiben. Hier ankreuzen, dass sie die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und einhalten werden und hier bestätigen sie keine anderen als die jeweils vorgesehenen Entschädigungen zu fordern, falls etwas passieren sollte und hier…“
Es dauerte eine Weile bis alles unterschrieben war, aber General wollte unbedingt wieder auf ein Schiff. Und wenn es nur ein Müllsammler wäre, dachte er grimmig und etwas traurig.
Am Ende bekam er ein metallenes Armband, welches ihn als Sicherheitsmann der ANS Messenger auszeichnete. Damit hatte er nun Zutritt zu den speziell für Luftschiffer vorgesehenen Bereichen der Burg. Am nächsten Morgen solle er sich bei Captain Omar melden, um den Dienst dann offiziell zu beginnen. Er wunderte sich beim Gehen noch, dass ein kleines Olbiaschiff, wie es die ‚Messenger‘ ja war, von einem Captain kommandiert wurde, wo doch zum Beispiel für die riesige ‚Arakon‘ ein Leutnant gut genug zu sein schien. Weiters war er ein wenig verwundert, aber auch erfreut, dass ihm 60 ANMASS je Tag als Bezahlung geboten wurde. Das freute ihn.
Gerade als er sich anschickte das ANLA Büro endgültig zu verlassen, drehte sich der Herr im schweren Ledersessel hinter dem großen Schreibtisch um und meinte mit tiefer, autoritärer Stimme:
„General, sie sind ein Held!“, gesagt, und schon drehte er sich wieder, ohne eine Antwort abzuwarten, in seine ‚aus dem Fenster schauen‘ Stellung zurück.

Previous Post Telegrafenamt Next Post