ANA1-14 Wieder Karaoke

ANA1
Kategorie: Story Autor: ANirgends

Der Lastwagen fuhr nach dem Passieren des Grenzpostens quer durch die kasachische Steppe und erreichte wohlbehalten Astana. Hier trennten sich die Wege von Igor, Iwan, Tulcinea und Benno dem Hund vorläufig.
Die Einen gingen ihren Geschäften nach und Igor mietete sich in einem einfachen Hotel ein und telefonierte erst mal.
„Marjeka, bist du es?“, fragte er ins Telefon.
„Ja Igor, natürlich. Wo bist du?“
„Ich bin jetzt in Astana und begleite die Zielperson. Leider konnte ich in und um Mariupol keine Bestätigung zu deinem Verdacht finden. Iwan reist mit einer, sagen wir mal ‚ungewöhnlichen Schönheit‘. Aber es dürfte da nichts sein, was deinen Verdacht bestätigen würde.“
„Beschreib mir die Frau, Igor.“
„Nun, sie ist ausgesprochen hübsch, hat brünettes Haar, ist Anfang dreißig, würde ich sagen, singt gerne Karaoke und weiß, wie man Männern den Kopf verdreht. Also Iwan könnte sie jederzeit haben, aber bei den beiden funkt nichts. Sicher nichts. Da hat sie mehr Liebe zu ihrem Hund, würde ich sagen.“
„Ein Hund ist auch dabei? Wie kommt sie zu Benno?“
„Ja ein Hund ist auch dabei. Du, Marjeka, ist mein Einsatz hier auch wirklich im Auftrag abgedeckt? Ich reise ja gerade recht günstig, aber wenn du sagst, ich bekomm nicht mehr bezahlt, bin ich weg. Weil die wollen weiterreisen und das kann also noch dauern. Noch dazu wo ich gerade keine heiße Fährte zu deiner Gegenspielerin erkennen kann. Also keine Ahnung wie lange das noch dauern wird.“
„Weißt du denn, wohin die Reise geht?“
„Es wurde über eine Verladung in die Transsibirische Eisenbahn in Omsk gesprochen. Aber ich weiß nicht genau was, weil sie wollen hier in Astana ‚shoppen‘ haben sie gesagt. Heute Abend treffe ich mich mit ihnen und möchte meine weitere Unterstützung anbieten, wenn du mich zahlst.“
„Ja natürlich, das geht klar. Melde dich beizeiten wieder und bleib an meinem Iwan dran. Dann hat er zwei Anstandswauwaus“ sagte Marjeka noch ins Telefon und verabschiedete sich von Igor.
Na, dann ist es ja gut, dachte Igor und freute sich, dass sein Auftrag von Tag zu Tag mehr abwarf, weil er ja nach Aufwand bezahlt wurde und somit schon ein schönes Sümmchen vom vereinbarten Treuhandkonto beanspruchen konnte. Doch gerade als er sich ausmalte, wie er mit dem vielen Geld tolle Urlaubstage am Schwarzen Meer verbringen würde, fiel ihm etwas aus dem Gespräch auf: Marjeka hatte Benno, Benno genannt. Woher zum Teufel wusste sie, wie der Hund hieß? Igor verfiel wieder ins Grübeln und dachte lange nach. Fast zu lange, um pünktlich in die Karaoke Bar zu kommen, aber doch ohne befriedigendes Ergebnis.
Darum verpasste er Tulcineas ersten Auftritt und musste von Iwan erfahren, dass sie wirklich gut gesungen hatte und die drei reichen Russen am Tisch nun ihre größten Fans waren.
Igor war etwas erbost, weil diese drei kasachischen Oligarchensöhne (für das hielt er sie zumindest) Iwan und ihn total ignorierten. Tulcinea verstand es, sich gut mit den dreien zu unterhalten, sie aber dennoch weit genug auf Distanz zu halten. Nach etwa zwei Stunden, viel Karaoke-Gesang und acht(!) Flaschen Champagner wurden die Drei von einer fröhlichen Tulcinea und einem grimmigen Iwan vom Tisch wegkomplimentiert.
Danach ging es überraschend schnell zur Sache:
„Wir wollen nach Wladiwostok mit unseren Sachen. Igor, bist du dabei?“ fragte Iwan etwas lallend, aber ganz direkt.
„Hm, wenn ihr mich dabei haben wollt und wenn ein wenig für mich rausschaut und ich ein paar Fragen stellen darf und….“ setzte Igor an, wurde aber von Tulcinea sanft gebremst.
„Lieber Igor, wir schätzen deine Diskretion, deine Tatkraft und besonders deine Aufmerksamkeit. Du wärst für unsere Mission von großem Nutzen und wir bezahlen dir, sagen wir mal, also 2000 Dollar je Tag in bar, wenn wir in Wladiwostok verladen haben, ok?“
„Und habe ich auch etwas zu tun oder bin ich einfach nur der Ersatzfahrer?“
„Ersatzfahrer sein und deine totale Loyalität zur Sache genügt, lieber Igor“ säuselte Tulcinea.
Igor wurde ein wenig rot, weil ihm gar so viel geschmeichelt und geboten wurde, aber gleichzeitig regte sich bei ihm Misstrauen. Das können die doch viel billiger haben, warum also mich und wofür eigentlich? dachte Igor, verkniff sich aber die Fragen offen auszusprechen. Diese Bezahlung war einfach zu verlockend und loyal war er allemal.
„Dann ist das ein ja?“, fragte Tulcinea obligatorisch und hauchte einen alkoholschwangeren Kuss auf Igors Wange.
„Wir treffen uns morgen um 8 Uhr zum Frühstück“, bemerkte Iwan noch als die beiden schon aufgestanden waren und den verdutzt dreinblickenden Igor in der Bar zurückließen.

Previous Post Telegrafenamt Next Post