ANA1-12 Teleskop

ANA1
Kategorie: Story Autor: ANirgends

Geweckt wurde er mit klassischer Musik und die Monsterspinne hatte dem Krieger ein opulentes Frühstück im Speisesaal vorbreitet. Kalmer erschien wieder in seiner Rüstung. Die Waffen legte er am Beistelltisch ab und genoss die frischen Früchte, den aromatischen Kaffee und die anderen Speisen.
Gesellschaft leistete ihm der Höllenhund. Dieser erkundigte sich artig nach dem werten Wohlbefinden.
„Danke, gut!“, erwiderte Kalmer kurz angebunden.
„Und was machst du immer so?“
„Meist sitze ich in meiner Höhle und warte auf Aufträge.“, antwortete dieser wahrheitsgemäß mit seiner tiefen, sonoren Stimme.
Dann fuhr er sich mit einer langen, rötlichen Zunge über die seine Schnauze, deutete ein Hecheln an und begann abermals zu sprechen.
„Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“
„Aber sicher. Wenn ich ihn dir erfüllen kann, dann sollst du deinen Gefallen auch bekommen.“
Kalmer gab sich gönnerhaft.
„Ich habe noch nie durch das Teleskop geblickt. Stimmt es, dass es uunntteenn“, er sprach dieses Wort sehr langgestreckt aus, „Artgenossen von mir gibt? Wesen die aussehen wie ich?“
„Ja, da hast du wohl recht.“, Kalmer streckte sich etwas nach der Butter.
„Du meinst wohl die Hunde und die Wölfe. Die sehen dir ein wenig ähnlich. Wenn sie auch kleiner und verzeih mir bitte den Ausdruck, weniger bedrohlich als du es bist, sind. Komm nachher mit und ich werde dir welche zeigen.“
Der Höllenhund wedelte erfreut mit dem Schwanz und bedankte sich.
Vielleicht kann ich ihn auf die Art länger als erwartet vom verbotenen Raum fernhalten, überlegte Kalmer hoffnungsfroh und klopfte ein Ei auf.
Kalmers Appetit war unglaublich und erst nach mehr als einer Stunde legte er seine Waffen an, bedankte sich überschwänglich bei der Monsterspinne für das Festmahl und betrat in Begleitung des aufgeregten Höllenhundes den Schacht der Schwerelosigkeit, wie er ihn bei sich nannte.
Sie schwebten wie Vortags etwa zwanzig Meter weiter in die Höhe und erreichten am Ende des Schachtes eine Kuppel, auf deren glattem Boden sie den Schacht verlassend landeten.
Den fast bis zu seiner Schulter reichenden, jetzt noch mehr geifernden, an seiner Seite stehenden Höllenhund ignorierte er und blickte andächtig auf das wunderbare Panorama, das sich ihm darbot. Er befand sich nun auf der Oberfläche von Antiriad, dem einzigen natürlichen Trabanten des Planeten, der wie eine matte, blauweiße Kugel am Himmel über ihm in der Schwärze des Weltalls schwebte. Umgeben von Myriaden weißen Pünktchen badete Terminus im Sternenmeer. Und direkt um ihn herum war die staubige und felsige Oberfläche des Mondes. Er befand sich in einer etwas mehr als zehn Meter durchmessenden Kuppel, deren transparente Oberfläche dafür sorgte, dass er nicht ersticken musste. Ihm wurde in diesem Augenblick wieder einmal bewusst, wie grotesk seine Anwesenheit, die Präsenz eines mittelalterlichen Kriegers in voller Plattenrüstung, mit Schwert, Schild und Armbrust in diesem futuristischen Außenposten der Menschheit wirken müsste. Wirken müsste, wenn es jemand sehen könnte, überlegte er und ließ es dabei bewenden.
Stattdessen fokussierte er seine Aufmerksamkeit jetzt auf den einzigen Gegenstand, der sich in dieser modernen Kuppel befand. Auf einem eleganten Gestell mit Drehkranz befand sich ein bequemer, gepolsterter Stuhl. Ein etwa fünf Meter langes Rohr zeigte in den Himmel und endete kurz vor diesem Stuhl. Es gab viele kleine Rädchen, Lämpchen, Stangen und Gelenke und es war insgesamt eine ausgesprochen schöne und wie Kalmer wusste auch eine sehr nützliche Konstruktion.
Als er sich in den Sitz schwingen wollte bemerkte er die steigende Unruhe des Höllenhundes.
„Keine Sorge, Hund.“, meinte er zu ihm und tätschelte ihn aus einem Reflex heraus am Hals.
„Lass mich erst mal ein wenig damit herumprobieren und dann kommst du auf deine Rechnung. Einverstanden?“
Der Höllenhund bellte freudig-heiser, wedelte mit dem Schwanz und wartete, Kalmer aufmerksam beobachtend.
Jener setzte sich den Helm auf und befolgte die Anweisungen einer Stimme, die ihn nun bei der Angleichung seiner Hirnfrequenz an das Teleskop unterstützte. Nach einer Weile war es so weit. Vor seinem inneren Auge bauten sich die intuitiven Steuerelemente auf und er begann das Teleskop zu bedienen. Als Ausgabekanal definierte er erst mal nur seinen Gedankenbereich. Er wollte den Höllenhund jetzt noch nicht auf seiner Reise dabei haben.
Zuerst verwendete er das Teleskop spielerisch und suchte nach KA PREISWERT. Als er es gefunden hatte, wechselte er zum Planeten. Caltha war im Blickfeld. Der ganze kringelförmige Kontinent. Auf der Unterseite des Binnenmeeres war der weißlich-bräunliche Halbbogen des Randgebirges gut erkennbar.
Ganz oben im Kringel wusste er Arca-Nihil. Er zoomte stärker in diese Gegend. So lange, bis erste menschgemachte Strukturen erkennbar wurden. Trotz der vielen hunderttausend Kilometer Entfernung sah er jetzt die feine Linie einer Eisenbahnstrecke. Größere Straßen machten Muster in einer bewaldeten, manchmal von Rodungen oder Siedlungen besprenkelten Landschaft.
Wie durch Magie zog es ihn zur Arca-Nihil Platte. Das war jene kreisförmige Fläche, welche in der Luft schwebte und die Hauptstadt beherbergte. Wegen der Riesenbäume war es schwer das zentrale Stadtgebiet abzusuchen, aber er fand eine größere Lücke im Blätterwerk der Bäume und zoomte sein Ziel weiter heran. Er hatte den Hauptplatz von Arca-Nihil gefunden. Auf einer Bank saß ein junger Mann, der gerade etwas las. Kalmer zoomte weiter hinein und konnte jetzt mitlesen. Es war in ANOS geschrieben, der offiziellen Sprache von Arca-Nihil und in dem Buch ging es um die Liebelei einer Herzogin mit einem berühmten Schriftsteller. Kalmer musste kurz grinsen, weil er den Schriftsteller kannte. Dieser war vor Jahren dumm genug gewesen ihm einen wertvollen Stein für ein Butterbrot zu verkaufen. Rein aus Interesse zoomte er weiter und betrachtete nun die baumstammgroß herangeholten Haare des Jungen. Ob der wohl Läuse hat, überlegte Kalmer und wurde in seiner Neugier gestört. „Darf ich, darf ich? Ist ein Hund zu sehen?“, drängte sich der Höllenhund in Kalmers Wahrnehmung.
Leicht verärgert, aber sich an seine Gedanken von vorher erinnernd, verringerte er die Vergrößerung des Teleskops, suchte nach ein paar Köter, die sich auf dem Marktplatz herumtrieben, schaltete den Hologramm-Modus frei und projizierte das Bild in einen verdunkelten Bereich der Kuppel, um den Höllenhund an der Betrachtung teilhaben zu lassen.
„Gefällt‘s dir?“
Der Höllenhund war begeistert, betrachtete die beiden Hunde von allen Seiten und war sehr enttäuscht als Kalmer den Hologramm-Modus wieder deaktivierte.
„Ich muss jetzt noch etwas erledigen. Wenn ich dann fertig bin, schalte ich dir die Hunde wieder frei und du kannst sie so lange beobachten, wie du willst. Ok?“
Und wie ok das war. Der Höllenhund versprach geduldig zu warten und nicht mehr zu stören. So konnte Kalmer in aller Ruhe jener Aufgabe nachgehen, wegen der er primär hierher gereist war.
Es dauerte wirklich sehr lange und er war froh, dass er so ausgiebig gefrühstückt hatte. Aber wegen einer stärkeren Bewölkung in Ost Caltha musste er immer wieder auf den Erinnerungsmodus des Teleskops ausweichen. Dort war zwar eine vollständige Karte aller sichtbaren Bereiche des Planeten und des Weltraums vorhanden, aber die Detailauflösung war für seine Bedürfnisse ungenügend. Er verweilte auch kurz in Tritown, um die Ausmaße der dortigen Zerstörungen, wegen des erst kürzlich erfolgten Krieges dort, im Detail betrachten zu können.
Stunden später und bereits ein wenig entmutigt fand er dann doch was er so lange gesucht hatte – auf einer Insel im östlichen Binnenmeer, genau wie es die alten Überlieferungen angegeben hatten denen er nun gefolgt war.
Auf einem einst vermutlich vulkanischen Gipfel im Zentrum einer kleinen Insel befand sich eine kreisrunde Ebene. Bäume und Büsche wuchsen darauf. Etliche tonnenschwere Felsen lagen herum. Wenn er aber genau darauf blickte war ein Muster zu erkennen. Auf ein imaginäres Zentrum gingen bogenartige Linien von außen kommend zu. Mit viel Fantasie war das ein lamellenartiger Verschluss für die im Boden versenkte planetare Abwehrkanone. Er musste das wissen, denn genau so eine schützte sein Archipelago vor zu neugierigen Luftschiffen.
Er ließ sich vom Teleskop ein paar Papierkarten erstellen. Mit diesen Karten sollten seine Dunkelzwerge in der Lage sein das Geschütz zu finden und hoffentlich in Betrieb zu nehmen.
Kalmer atmete tief durch, als er die auf stabiler Folie gezeichneten Karten eingesteckt hatte, suchte wieder nach den Hunden am Marktplatz von Arca-Nihil, schaltete den Hologramm-Modus wieder ein und beauftragte das Teleskop den Hunden ständig zu folgen.

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